Im letzten Blogbeitrag, habe ich den Übergang von einer gesunden zu einer toxischen Beziehung beschrieben und was da die Schwierigkeiten sind. Heute möchte ich gerne darüber sprechen, wie es ist in einer neuen Beziehung angekommen zu sein.
Ich denke es ist ganz gut und hilfreich darüber Bescheid zu wissen, wenn man nun dabei ist sich aus alten Mustern und vergangenen Beziehungen zu lösen und perspektivisch irgendwann wieder in eine Beziehung kommen möchte. Grundsätzlich sollte das nicht der Hauptfokus sein. Mein Interesse gilt eher dem Prozess, sich selbst näher zu kommen und die eigene Geschichte und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart besser zu verstehen.
Ich arbeite viel an der Heilung von bestimmten traumatischen Erlebnissen und wie du hier und heute Dinge auflösen kannst und dein Leben besser wird. Es geht also vor allem um die Beziehung zu dir selbst, als Basis für alle anderen Beziehungen. Aber klar, natürlich ist es ja eine wichtige Frage: wie komme ich in eine gesunde Beziehung und was mache ich, wenn ich dann eine habe und auch erkennen kann, dass dieses Mal alles anders ist. Denn verständlicherweise trauen wir der Sache am Anfang vielleicht nicht, oder fühlen uns irgendwie komisch damit. Und das ist auch normal!
Daher sage ich ja immer wieder, lasst euch echt Zeit!! Euer ganzes System: Körper, Geist, Seele, Nervensystem – muss sich langsam daran gewöhnen, dass ihr in einem sicheren Zustand seid, dass euer Gegenüber sicher ist und dass ihr vertrauen könnt. Und das geht einfach nicht von heute auf morgen.
Es gibt Dinge, die in neuen Beziehungen leicht sind und welche, die etwas schwieriger sind und ich möchte hier ein bisschen differenzieren, damit du das nicht missverstehst und erkennst, wenn es dir passiert. An dieser Stelle sei auch gesagt – jeder Weg ist natürlich individuell, da wir alle ganz unterschiedliche Dinge erlebt haben – das heißt jeder Heilungsweg gestaltet sich irgendwie etwas anders. Daher halte dich an die Dinge, mit denen du in Resonanz gehst, die für dich richtig und gut klingen und vertrau dir auch selbst dahingehend, dass am Ende du am besten weißt, was gut für sich ist. Ich berichte hier von meinen Erfahrungen in meiner Arbeit und beschreibe, wie es möglicherweise laufen kann.
Also, zu den leichten Dingen, wenn du eine neue, gesunde und stabile Beziehung beginnst. Leicht ist meistens die Art und Weise, wie man in Kontakt kommt und wie sich Treffen und das Kennenlernen insgesamt gestalten. Das heißt es gibt keine Spielchen und sehr viel Ehrlichkeit und Leichtigkeit. Jemand kann dir sagen, dass er/sie dich toll findet und rennt auch nicht weg, wenn du das ihm/ihr sagst, sondern freut sich darüber. Von außen betrachtet könnte man sagen das Kennenlernen verläuft ruhig, ohne irgendwelche Dramen oder krasses Love-Bombing und steigert sich ganz natürlich. Es hat so etwas von einem ruhigen, fließenden Fluss, der langsam immer breiter wird – im Gegensatz zu einem sehr kurvigen, rauschenden Gebirgsbach, der von Wasserfällen geprägt ist. Ich denke du verstehst das Bild. Die beiden fühlen sich verschieden an.
Die Kommunikation ist meistens leicht und unmissverständlich, wenn es Missverständnisse gibt, können diese leicht gelöst werden, es herrscht viel Harmonie. Es gibt nicht diese Anstrengung und das Hoffen und Bangen und nicht wissen woran man ist!
Und bitte: wenn Menschen euch sagen, jede Beziehung ist viel Arbeit, dann ist damit 1. nicht die Anfangszeit gemeint und 2. ein normales Maß an Arbeit und Investition. Mal mehr Arbeit, wenn es Krisen gibt, aber kein permanentes Abstrampeln und Kämpfen und in Ängsten sein – das ist NICHT damit gemeint!
Der Anfang ist also easy. Damit könnte ja alles gut sein. Aber genau das ist oft das Problem. Der Anfang ist so easy, dass man sich eben auch schnell näher kommt, sodass alte Muster und Verhaltensweisen nichtmehr notwenig sind und man somit merkt, dass man vielleicht selbst etwas schwieriger ist als gedacht. In alten Beziehungen waren ja oft die Expartner die mit den Problemen.
Diese plötzliche, leichte Nähe kann sehr viele Ängste und Unbehagen auslösen und kann dazu führen, dass du am liebsten weglaufen willst. Und das ist der schwierige Part. Hier bist du gefragt. Wenn du ein paar Tage zuvor noch alles an deinem Gegenüber abgesegnet hast und eigentlich weißt, dass mit ihm/ihr alles in Ordnung ist, dann ist so eine plötzliche Abwehr, ein abfallen der Gefühle, ein Genervtsein von irgendwas Banalem, ein recht deutliches Zeichen von Bindungsangst. Und an dieser Stelle kann ich nur sagen: überwinde das!! Schau, dass du herausfindet, was es euch leichter macht mit dem gegenüber in Kontakt zu bleiben, aber bleibt dran.
Meistens ist das nur ne kurze Phase und dann überwindet man das. Redet mit dem Menschen und teilt euch mit. Mach dir bewusst, dass du Freiheiten hast und der andere wahrscheinlich nicht gekommen ist, um dich einzuengen oder zu besitzen. Mach dir klar, dass du einfach Tag für Tag schauen kannst, ob es dir gefällt. Du musst nicht direkt wissen, ob das was Ernstes, Längerfristiges ist. Du musst nicht wissen, ob ihr in einem Monat noch zusammen seid. Vielleicht ist das für die andere Person gar keine Frage, aber er/sie hat ja wahrscheinlich auch keine Bindungsangst und kann so etwas leicht sagen und auch fühlen. Lass dich davon nicht irritieren.
Wenn du merkst, dass du an irgendeiner Stelle versuchst Drama zu erzeugen – lass es. Es kann schon sein, dass wenn man Drama gewöhnt ist, man manchmal versucht da etwas zu provozieren. Ich kenne das von mir und wenn ich da gemerkt habe, dann habe ich mir selbst ganz deutlich gesagt: KEIN DRAMA. Dein Gegenüber, wenn er oder sie bindungssicher ist, wird mit aller Wahrscheinlichkeit auch nicht darauf einsteigen und eher genervt davon sein. Er wird sich wahrscheinlich davon abgrenzen und das ist ein gutes Zeichen.
Es kann auch sein, dass du versuchst dein Gegenüber zu testen. Ob er/sie es wirklich ernst meint, wie er/sie mit Streit umgeht, wie er/sie mit anderen Frauen/Männern ist usw. Auch da – das ist ok, wenn das mal passiert, aber übertreibe es nicht. Eigentlich gibt’s ja im hier und jetzt wahrscheinlich gar keinen Grund für solche Tests sondern, das passiert eher aufgrund von schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit, aus einer anderen Beziehung und dann gehört es eigentlich nicht hier her.
Es kann sein, dass dich irgendeine Situation triggert, die du so ähnlich aus der Vergangenheit kennst und dann ganz nervös wirst.
Ein Beispiel: Dein Ex hat mit anderen Frauen per Whats App geschrieben und geflirtet. Du hast das irgendwann entdeckt und es hat dich total verletzt. Seitdem reagierst du allergisch, wenn dein aktueller Freund irgendjemandem schreibt und du weißt nicht wem. Du würdest am liebsten nachschauen und schiebst innerlich schon einen Film mit wem er als nächstes fremdgeht. Das ist ein total typisches Beispiel. Mach dir in so einer Situation klar, dass nicht dein Exfreund vor euch sitzt, sondern ein ganz anderer Mensch. Mach dir klar, dass es viele Gründe geben kann, warum er gerade Nachrichten schreibt. Und wenn es dich einfach nicht loslässt, dann sprich es einfach freundlich an. Sag was dir zu schaffen macht und gib ihm die Chance, die Situation aufzuklären. Und ein Stück weit musst du ihm einfach vertrauen. Natürlich kannst du auch ein Gespräch darüber führen, was man möchte und was man nicht möchte. Was einem vielleicht Angst macht.
Ich würde mir in so einer Situation erstmal Luft verschaffen. Gehe nicht gleich in die Konfrontation, sondern beobachte dich selbst erstmal dabei, was in deinem Körper passiert. Versuche Verständnis für dich aufzubringen und dafür, was die Situation gerade mit dir macht. Wenn deine stärksten Emotionen dann vorbei sind, sprich offen darüber. Ohne vorwurfsvoll oder anklagend zu sein!
Wo zu Beginn starke Bindungsängste sind, lauern meist auch starke Verlustängste, nur dass diese erst hervorkommen, wenn wir anfangen uns wirklich einzulassen.
Die Verlustängste dürfen auf jeden Fall auch genauer angeschaut werden. Daher begleite ich viele Menschen auch noch in die Beziehungen hinein. Da hilft es zu ergründen, woher die Verlustängste stammen und wie man dann im hier und jetzt damit umgehen kann. Das ist im Prinzip auch wie ein Muskel. Wenn du anfängst dich damit auseinanderzusetzen und daran zu arbeiten und auch deinen Partner mit ins Boot zu holen, dann werden auch die Verlustängste immer weniger. Wichtig ist hier einfach, dass wir nicht denken unser Partner muss sich anders verhalten, damit wir die Verlustängste nicht spüren.
In einer sicheren Bindung werden sie sowieso niemals so stark angetriggert, wie in einer toxischen Beziehung. Das heißt, es gibt wahrscheinlich keinen echten Grund für eine Verlustangst und dein Partner tut nichts Schlimmes. Trotzdem kannst du die Ängste bekommen und das stammt eben auch aus der Vergangenheit. Was ich an dieser Stelle mache, ist, dass ich mit den KlientInnen ganz stark daran arbeite, in solchen Momenten sich selbst helfen zu können, sich selbst trösten und schützen zu können. Wie eine erwachsene Bezugsperson. Darum geht es nämlich meistens. Es gibt keiner innere Regulationsmöglichkeit in dieser Verlusterfahrung und das kann man sich erarbeiten. Mehr dazu findest du auch im Podcast über Verlustangst.
Dann ist es natürlich auch einfach so, wenn man Beziehungen hatte, die schlimm waren, die einen vielleicht sogar traumatisierte haben, dann braucht man einfach ein bisschen länger, um einem Menschen zu vertrauen. Und das ist ok. Du hast vielleicht einfach Erfahrungen gemacht, die dich sehr vorsichtig sein lassen und es ist nichts falsches daran mehr Zeit zu brauchen. Sowas kann man auch kommunizieren. Wenn der Kopf das weiß, ist es die eine Sache – es muss einfach auch im Körper und im Herz ankommen. Ich denke es ist vollkommen in Ordnung die ersten 6-12 Monate noch vorsichtig zu sein und sich Schritt für Schritt zu öffnen. Erstmal schauen, ob die ersten 3 Monate gut laufen, dann schauen, ob die ersten 6 Monate gut laufen und wenn ihr dann ein Jahr rum habt, könnt ihr auch immer sicherer sein.
Du wirst in einer neuen Beziehung, die sicher ist einfach ganz viel Neues lernen und dich vielleicht manchmal wie ein Anfänger fühlen, aber auch das gehört zu diesem Prozess dazu. Dafür wird es ganz viele Sorgen geben, die du dir nichtmehr machen musst. Dinge die früher problematisch waren werden es nichtmehr sein und du wirst mit aller Wahrscheinlichkeit entdecken, dass du sehr du selbst sein kannst und sehr frei sein kannst.
Ich habe neulich in einem Buch gelesen, dass Menschen in Beziehungen tendenziell zu mehr Risiko bereit sind und freier sind sich etwas zu getrauen oder etwas durchzuziehen oder zu erleben, wie Singles. Für mich ist das total einleuchtend. Mit jemandem im Rücken, der dich stärkt, an dich glaubt und dein bestes will, fühlst du dich sicher, dich auszuprobieren. Das heißt im Prinzip werden wir freier durch authentische Beziehungen.
Daher lohnt sich der ganze Aufwand, die ganze Beziehungsarbeit und das Erforschen der eigenen Muster wirklich sehr. Und ich kann das auch aus eigener Erfahrung sagen. Ich hab mich wohl als Single gefühlt und war immer sehr freiheitsliebend! Der große Unterschied in Beziehung ist, dass man sich sicher, gehalten und zugleich frei fühlt!
Wenn du also gerade eine neue Beziehung beginnst und dir unsicher bist, dann hoffe ich, dass dir dieser Blogbeitrag ein bisschen dabei hilft, deine Situation besser zu verstehen.
Alles Liebe!